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23. Juni 2025
Scrollt man im Jahr 2025 durch den LinkedIn-Newsfeed, scheint es nur noch „Hochglanz-Postings“ zum Aufbau einer „Personal Brand“ zu geben: jede Menge seelenlose Fachartikel mit den immer gleichen, leeren Worthülsen – egal, wohin man schaut. So findet man wie am Fließband produzierte, schlaue Ratgeber-Postings, wie Unternehmen in unserer schlauen und smarten Arbeitswelt effizienter, besser und menschlicher arbeiten können. Jede Menge des scheinbar immer gleichen, seelenlosen Fachgeschwafels, für das sich in Wahrheit fast niemand interessiert – weil es offensichtlich nur um Selbstdarstellung geht. Besonders dann, wenn ich Artikel von mir im echten Leben wirklich bekannten Personen im Newsfeed sehe, erkenne ich an Form und Sprachstil auf den ersten Blick, dass hier fleißig KI-Content produziert wurde. Persönlichkeit im Text? Fehlanzeige. Die Inhalte? Nicht mal so verkehrt, beschreiben allerdings meistens nur Wunschszenarien , die im Tagesgeschäft dieser Unternehmen gar nicht wirklich gelebt werden. Warum posten diese Personen diese Inhalte dann trotzdem? Ganz einfach: weil es gut aussieht und die Marketing-Maschine am Laufen hält. Einerseits sehen Arbeitgeber diese Beiträge ihrer Mitarbeitenden gerne, weil hierdurch ein gutes Firmen-Image entsteht, andererseits hat auch der oder die Postende etwas davon, weil er oder sie sich eine berufliche/fachliche Reputation mit den ganzen veröffentlichten Fachartikeln aufbauen kann. „Expertenstatus aufbauen“ – darum soll es auf LinkedIn gehen. Doch wo bleiben denn bitte die ECHTEN Menschen und EHRLICHEN Meinungen HINTER diesen Postings? Diese Frage wurde mir tatsächlich auch schon häufiger in privaten LinkedIn-Chatnachrichten innerhalb von nicht öffentlichen Unterhaltungen gestellt – denn alle fühlen es scheinbar, aber kaum jemand wagt sich, es tatsächlich auch laut auszusprechen: Das meiste von dem, was wir auf Social Media und insbesondere auf LinkedIn sehen, gleicht nur noch einer unpersönlichen und seelenlosen Marketingmaschine für Image-Aufbau und Selbstdarstellung. Ich würde gerne mehr über die echten Menschen in meinen Newsfeeds erfahren, weil mich in erster Linie ihre geposteten Bilder ansprechen, während ich offensichtlich mit KI produzierte Texte gar nicht erst lese oder inhaltlich maximal überfliege. Je mehr die geposteten Bilder der Menschen in meinem Newsfeed offenbar aus deren Alltag stammen, desto schöner und sympathischer finde ich den Post und den Menschen dahinter. Es spricht absolut nichts dagegen, sich eine Personal Brand aufzubauen – ganz im Gegenteil. Allerdings würde es unserer Gesellschaft gut zu Gesicht stehen, wenn sie dabei wieder von einem oft sehr überzogenen Hochglanz-Image als digitales „Must-have“ ablassen und sich insgesamt authentischer präsentieren würde. Die Schwierigkeit dahinter wird wohl der indirekte Druck sein, der in unserer Leistungsgesellschaft vorherrscht: Immer wieder kommt es zu Kündigungen von Mitarbeitenden – einfach nur aufgrund von Social-Media-Postings mit einer vermeintlich „falschen“ und öffentlich geäußerten Meinung. Oder, weil sich jemand anderes im gleichen Unternehmen „auf den Schlips getreten“ gefühlt hat. Kein Wunder, dass Mitarbeitende mancher Unternehmen dann verstummen und sich gar nicht mehr in die Sichtbarkeit trauen, Firmen-Content einfach nur noch im eigenen Newsfeed „teilen“ (was soll man dabei schon falsch machen?), oder komplett ins Gegenteil umschlagen und nur noch unpersönliche und KI-generierte Fachartikel posten. So, wie man „Dienst nach Vorschrift“ machen kann, kann man offenbar auch „nach Vorschrift posten“ . Wie die Lemminge. Zur Freude einiger Arbeitgeber:innen. Wie schön wäre es, wenn wieder mehr Menschen öffentlich, ehrlich und reflektiert ihre eigenen Gedanken äußern dürften, ohne unterschwellig Angst vor einer Kündigung haben zu müssen oder von Kolleg:innen vorschnell verurteilt zu werden? Und wenn dadurch wieder mehr Menschen ihre echten Persönlichkeiten, Stärken und Hobbys oder Fähigkeiten sichtbar machen dürften? Denn, da bin ich mir ganz sicher: So manches Unternehmen würde, bei positiv-interessiert-geöffneten Augen und einer Firmenkultur des Angenommen-Seins , viele gute Fachkräfte in den eigenen Reihen völlig neu für sich entdecken, deren Stärken man sowohl für das eigene Unternehmen als auch zum GEMEINSAMEN Erfolg von Mitarbeiter:in, Unternehmen und auch Kundinnen und Kunden nutzen könnte. Eine Kultur – frei von Angst und Machtspielchen, gefördert durch Offenheit, Wertschätzung und einem Austausch zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten auf Augenhöhe. Das ist es, was ich mir für unsere Gesellschaft und unsere Arbeitswelt wünsche und wovon wirklich jede und jeder profitieren würde. Mehr echte Persönlichkeiten und ein Raum für ehrlichen Gedankenaustausch führen zu mehr Symbiosen, Innovation und Umsatz – was unserem Land innerhalb der aktuellen Wirtschaftskrise guttun würde.